Sternbild Stier
Der Stier
Verbindungen des Sternbildes zu Sagen der Antike
Die Menschen in der Vergangenheit haben zumindest während der letzten 6- bis 7000 Jahre die V-förmige Gruppe der Hyaden als die Hörner des Stieres gesehen, der rote Aldebaran markierte ein Auge. Der Stier war möglicherweise das erste Sternbild, dem eine Bedeutung zugestanden wurde, und zwar schon vor 6000 Jahren, als der Frühlingspunkt im Stier lag und das Zusammentreffen dieses Punktes mit der Sonne den Beginn des landwirtschaftlichen Jahres anzeigte.
Auch auf Kreta wurde das Sternbild als Stier gesehen, die minoische Kultur auf Kreta war sehr "Stier-orientiert". Es gab in der Hauptstadt ein Labyrinth, in dem ein stierähnliches Monster lebte, dem regelmäßig eine Jungfrau geopfert werden musste, um es zu besänftigen.
Im späteren Griechenland wurde das Sternbild mit dem weißen Stier identifiziert, der Europa auf seinen Hörnern davontrug und sich dann als Zeus in einer seiner Verwandlungen zu erkennen gab.
Auf alten Sternkarten, die die Sternbilder tatsächlich bildlich darstellen, ist meist nur der Kopf und die Hörner abgebildet. Die Hyaden mit Aldebaran sind der Kopf, die Hörnerspitzen werden durch Beta und Zeta Tauri etwa 15° nordöstlich begrenzt. Der Rest des Stieres ist wahrscheinlich unter Wasser, als er Europa über das Meer entführt. Südöstlich des Stieres findet man im Herbst und Winter das Sternbild des Orion, wie er kampfbereit den Schild mit dem linken Arm gegen den anstürmenden Stier erhebt, bereit ihn abzuwehren; ein manchmal rätselhaftes Himmelsdrama das sich dort abspielt und seit tausenden von Jahren immer wieder im Herbst und Winter von den selben Darstellern gespielt wird.
Helle Sterne
α Tauri, Aldebaran, 0,86m , K5 III-Spektrum, also recht rot.
Der Name leitet sich aus dem arabischen "Al Dabaran", "Der Folgende", ab, wahrscheinlich weil er den Plejaden in der täglichen Bewegung über den Himmel folgt. Aldebaran ist in der Liste der hellen Sterne an 13. Stelle und möglicherweise leicht variabel. Er steht im östlichen Bereich der Hyaden, gehört aber nicht zu ihnen, da er wesentlich näher an der Sonne steht als der Sternhaufen und eine anders gerichtete Eigenbewegung hat.
Aldebaran ist ein mittelgroßer Riesenstern mit etwa dem 40-fachen Sonnendurchmesser und der 125-fachen Leuchtkraft. Die Oberflächentemperatur ist um 3400 K, was uns den Stern in seiner markanten rötlichen Farbe erscheinen lässt. Die Entfernung beträgt etwa 68 Lichtjahre, die Eigenbewegung beträgt 0,21" in Richtung 160°.
Beta Tauri, El Nath, markiert das Ende des nördlichen Hornes und liegt an der Grenze zum Sternbild Fuhrmann. In alten Karten beanspruchen beide Konstellationen den Stern, in modernen Katalogen wird er aber als zum Stier gehörend geführt. Die Helligkeit ist 1,65m, das Spektrum B7 III, also bläulich-weiß. Die Entfernung zur Sonne ist etwa 300 Lichtjahre, die Leuchtkraft 1700 mal so groß wie bei der Sonne. Knapp 4° östlich von beta Tauri findet man das galaktische Antizentrum, den Bereich, der genau dem Milchstraßenzentrum im Skorpion gegenüber liegt.
Zeta Tauri ist der Stern, der das südliche Horn des Stieres markiert, er hat die Helligkeit 3,0m und eine ähnliche Farbe wie Beta Tauri. Zeta ist für eine trigonometrische Messung zu weit entfernt, andere Messungen weisen aber auf eine 4400-fache Sonnenleuchtkraft hin und damit auf eine Entfernung von etwa 940 Lichtjahren. Messungen der Eigenbewegung deuten auf ein Doppelstern-System mit einer Periode von 132,91 Tagen hin, der kleinere Stern ist nicht beobachtbar.
Zeta ist ein sogenannter "Hüllenstern" mit einer ausgedehnten, turbulenten Atmosphäre. Seit dem Beginn der spektroskopischen Beobachtungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Gashülle deutlich. Die Vorgänge auf dem Stern können so ähnlich sein, wie die Protuberanzen die wir auf der Sonne beobachten können, allerdings in "astronomischen" Maßstäben.
Nur etwas mehr als ein Grad nordwestlich von Zeta findet man den bekannten Supernova-Rest M1, den Crab- Nebel.
Doppelsterne
Doppelsterne und Mehrfachsterne sind im Gebiet der Plejaden häufig zu finden. Mit dem Feldstecher wird man zuerst 27 und 28 Tauri entdecken, die nur 5' Distanz haben. Ohne optische Hilfe verschwimmen sie zu einem länglichen Bild, mit der kleinsten Vergrößerung erscheinen sie sofort getrennt. Der hellere Stern, 27 Tauri, ist ein schwieriger Doppelstern, der erstmals von Struve 1827 beschrieben wurde und nur 0,4" Abstand der Komponenten aufweist, die einen Helligkeitsunterschied von 3m haben. Ein anderes einfaches Paar ist Asterope, 21 und 22 Tauri, mit 2,8' Distanz. Das Feld von Alcyone (Eta Tauri) ist auch für kleine Instrumente interessant, da nur 3' nordwestlich ein kleines Dreieck von 9m hellen Sternen liegt, die jeweils 1' voneinander entfernt sind. Aus Beobachtungen in 1972 bei einer Bedeckung durch den Mond konnte auf einen engen Begleiter von Alcyone geschlossen werden, der weniger als 1" Abstand hat und nur ein drittel der Helligkeit des Hauptsterns. Taygeta (19 Tauri) ist ein weiterer heller Plejadenstern mit einem Begleiter, die Distanz ist 69" in Positionswinkel 330°, also nordwestlich. Die Helligkeit des schwachen Sterns wird zwischen 8m und 10m angegeben. Maia, 20 Tauri, wird manchmal als spektroskopischer Doppelstern aufgeführt, allerdings schwanken die gemessenen Radialgeschwindigkeiten schnell und deuten eher auf eine Pulsation hin, wie sie bei Pleione beobachtet wird (siehe Offene Sternhaufen, M 45).
Variable Sterne
Lambda Tauri liegt etwa 6° südwestlich von Gamma Tauri, dem Stern an der südwestlichen Spitze der V- förmigen Konstellation, die die Hyaden bilden. Lambda Tauri ist ein Bedeckungsveränderlicher mit einer Periode von fast 4 Tagen und seine Helligkeit schwankt zwischen 3,55m und 4,17m. Diese Variation ist mit dem bloßen Auge zu beobachten, wenn man als Bezugssterne Gamma und Xi Tauri benutzt. Diese Sterne haben eine Helligkeit von 3,68m und 3,74m. Xi Tauri liegt etwa 9° südwestlich von Lambda Tauri. Eine Analyse von
D.B. McLaughlin gibt folgende Werte:
Der Abstand beider Komponenten ergibt sich zu etwa 13 Millionen Kilometern. Die Bedeckung des hellen Sternes ist nur partiell, während der größten Phase werden etwa 40% des Durchmessers verdeckt. Die Entfernung des Systems ist rund 400 Lichtjahre.
T Tauri liegt 1,8° westlich und etwas nördlich von Epsilon Tauri, dem hellen Stern an der Nordspitze der Hyaden. T Tauri ist ein bemerkenswerter Veränderlicher, der mit dem Nebel NGC 1555 assoziiert ist. Beide, Stern und Nebel, wurden 1852 von J.R. Hind mit einem 7"-Refraktor in England entdeckt. Hind beschrieb den Nebel als sehr schwach und nicht größer als 30" im Durchmesser. Ein Stern 10. Größe knapp nördlich des Nebels war auf keiner Sternkarte vermerkt und Hind nahm an, das es ein Veränderlicher war. Hind's Nebel wurde von mehreren Beobachtern gesehen, um 1861 hatte seine Helligkeit aber deutlich abgenommen und 1868 war kein Nebel mehr zu sehen. 1890 wurde der Nebel von E.E. Barnard und S.W. Burnham mit dem 36"-Lick-Refraktor wiederentdeckt um fünf Jahre darauf wieder zu verschwinden. 1899 wurde er auf einer Photographie wiedergefunden und seitdem weiter beobachtet. Untersuchungen der Photos bestätigten die Veränderlichkeit in Helligkeit, Größe und Form. Der Nebel erscheint heute westlich von T Tauri und ist in den letzten 50 Jahren wieder heller geworden.
T Tauri selbst ist ein irregulär Veränderlicher und in keiner Weise vorherzusagen. Seine Helligkeit schwankt von 9m bis 13m, manchmal in ein paar Wochen, um dann wieder für Monate gleichmäßig zu leuchten. Die Entfernung des Sterns ist 450 Lichtjahre und er hat im Mittel die Leuchtkraft der Sonne.
In den letzten Jahren fand man einige andere Sterne mit ähnlichem Verhalten, auch sie liegen am Rande von hellen oder dunklen Nebeln, zum Beispiel in den Randgebieten der Nebel M42 im Orion, M8 im Schützen und M16 in der Schlange. Heute geht man davon aus, das es sich um sehr junge Sterne handelt, die immer noch durch Akkretion wachsen. Eine Theorie sagt, das wir hier Zeuge eines entstehenden Planetensystems sind.
Offene Sternhaufen
M 45, die Plejaden, sind wohl der bekannteste offene Sternhaufen an unserem Himmel. In der griechischen Sage sind sie die Halbschwestern der Hyaden und wurden von Zeus vor dem Orion gerettet, in dem er sie in himmlische Tauben verwandelte. Die Sieben heißen Alcyone, Merope, Celaeno, Taygeta, Sterope, Elektra und Maia. Die Plejaden kommen in allen alten Kulturen vor, bei den Chinesen und bei den amerikanischen Indianern.
Mit dem bloßen Auge sieht man eine Gruppe von 6 oder 7 Sternen, aber einige Beobachter haben in dem Bereich schon 11 oder mehr Sterne gesehen. So wurden von Dawes 13 und von Carl von Littrow sogar 16 berichtet. Im kleinen Teleskop wird der offene Sternhaufen zu einem kleinen Ereignis, und am besten sieht man dieses attraktive Objekt mit geringer Vergrößerung durch ein Gerät mit großem Bildwinkel: Feldstecher, gute Operngläser oder Kometensucher sind dazu geeignet. Starke Vergrößerungen sind absolut unnötig bei diesem Objekt. Durch ein Fernrohr betrachtet steigt die Anzahl der Sterne schnell an, im 5 cm-Refraktor sah R. Hooke im Jahre 1664 78 Sterne, eine Aufnahme aus Paris von Max Wolf aus dem Jahr 1876 zeigt 625 Sterne bis zur 14. Größe. Moderne Aufnahmen zeigen über 2000 Sterne in dem Gebiet, 250 gehören nachweislich zu der Gruppe der Plejaden. Diese Zahl wird in Zukunft durch weitere Untersuchungen vielleicht noch auf 500 steigen.
Die Plejaden sind einer der nächsten offenen Sternhaufen, etwa 3 mal weiter entfernt als die Hyaden. Die Distanz wurde 1958 von Johnson und Mitchell zu etwa 410 Lichtjahren bestimmt. Die hellsten Sterne füllen damit einen Raum von 7 Lichtjahren. Der hellste Stern, Alcyone, leuchtet 1000 mal heller als die Sonne und ist 10 mal größer, das Spektrum B7 läßt ihn weiß oder bläulich erscheinen. Aufgrund der Zusammensetzung des Haufens und des Fehlens von roten Riesensternen nimmt man das Alter der Plejaden zu 20 Millionen Jahren an. Dies ist für einen Sternhaufen ein niedriges Alter. Die Plejaden bewegen sich als Gruppe durch den Raum in süd- südöstlicher Richtung mit einer Geschwindigkeit von 5,5" pro Jahrhundert. Das ergibt eine tatsächliche Geschwindigkeit von 40 km/s. Trotzdem wird es 30000 Jahre dauern, bis die Gruppe die Winkeldistanz von einem halben Grad (Vollmonddurchmesser) zurückgelegt hat. Die Untersuchung der Eigenbewegung der Haufensterne führte 1846 zu einer der größten Fehlinterpretationen der astronomischen Geschichte: J.H. von Mädler fand keine Bewegung der Haufensterne untereinander und entschied, das die Plejaden das Zentrum der Welt sein müssten, insbesondere Alcyone sei der Stern im Mittelpunkt des Universums. Diese Annahme bekam einige Popularität, wurde aber als haltlos verworfen, als die wahre Natur der Spiralnebel einige Jahrzehnte später nachgewiesen wurde. Die spektroskopische Untersuchung der Sterne hat ergeben, daß sie sich teilweise sehr schnell drehen. So dreht sich Pleione etwa 100 mal schneller als unsere Sonne, dabei gibt der Stern unregelmäßig Gashüllen an seine Umgebung ab. Diese Gashüllen lassen den Stern in seiner Helligkeit schwanken, und zwar um Beträge von 0,2m bis 0,5m.
Eine erwähnenswerte Tatsache ist, das der ganze Haufen in einen hellen Nebel eingebettet ist, der durch reflektiertes Licht sichtbar wird. Dieser Nebel ergibt das selbe Spektrum wie die eingebetteten Sterne und besteht aus Staub, der das Sternenlicht zu uns reflektiert. Beobachtungen mit dem Fernrohr können bei guter Durchsicht der Luft zum Erfolg führen, allerdings sollten helle Sterne außerhalb des Gesichtsfeldes gehalten werden. Auch der Mond stört bei solchen Versuchen. Einzelheiten wie die faserige Struktur sind jedoch nur auf Fotos zu erkennen.
Kugelsternhaufen
nicht bekannt.
Planetarische Nebel
M1, der bekannte und gut sichtbare "Krebs-Nebel" im Stier. Er wurde 1731 von dem englischen Physiker und Amateurastronomen John Bevis entdeckt und unabhängig im September 1758 von Charles Messier wiederentdeckt. Messiers Entdeckung geschah bei der Beobachtung des Kometen von 1758 und führte schließlich zu seinem bekannten Katalog von Nebeln und Sternhaufen. M1 liegt etwa 1° nordwestlich von Zeta () Tauri, dem Stern an der Spitze des südlichen Hornes. 1844 fand Lord Rosse die Filamente um den Nebel und beschrieb sie "wie die Beine einer Krabbe", was dem Nebel seinen Namen gab. In modernen Fernrohren von 10 cm Öffnung ist der Nebel gut zu finden, er erscheint oval ab 15 cm Öffnung, und um Details zu sehen ist schon ein Instrument mit mehr als 25 cm notwendig. Die feinen Strukturen sind allerdings nur auf Photographien sichtbar. M1 ist einer der am besten untersuchten Nebel seiner Gruppe. Schon 1921 wurde festgestellt, das sich der Nebel verändert, seine Ausdehnung wächst pro Jahr um ca. 0.2". Das sind bei einer Entfernung von 6300 Lichtjahren pro Tag 75 Millionen Kilometer oder 870 km/s. Dies ist eine der höchsten Geschwindigkeiten für Materie, die in unserer Galaxis gemessen wurden. Die Ausdehnung des Nebels ist etwa 6 Lichtjahre, und so konnte W. Baade 1942 zurückrechnen, wann der Nebel anfing, sich auszudehnen. Er kam auf ein Alter von 760 Jahren, neuere Untersuchungen geben 900 Jahre an. Allerdings geben Chroniken des mittelalterlichen China genaue Hinweise auf den Ursprung des Nebels.
In einer Übersetzung von J.J. Duyvendag heißt es:"...Im ersten Jahr der Periode Chih-Ho, dem fünften Mond, am Tag chi-ch'ou, erschien ein Gaststern einige Zoll südwestlich von Tien-Kuan. ...nach einem Jahr wurde er unsichtbar." Das Datum ist nach heutiger Rechnung der 4. Juli 1054 gewesen, der Nebel begann seine Ausdehnung also vor 944 Jahren. Im Zentrum des Nebels findet man einen Pulsar mit einer Rotationsperiode von 30/s-1. Es handelt sich mit großer Sicherheit um einen Neutronenstern von nur einigen Kilometern Größe.
Diffuse Nebel
Der Supernova-Rest S147 im Stier wurde 1952 an der Simeis-Sternwarte auf der Krim von G.A. Shajn und V.E. Hase mit einer 64 cm Schmidt-Kamera entdeckt. Etwa zeitgleich wurde man auch auf dem Mount Palomar durch Aufnahmen mit dem 120 cm Schmidt auf den Nebel aufmerksam. Der Nebel hat eine Ausdehnung von etwa 2° x 3° und ist nur fotografisch nachweisbar. Seine Entfernung wird zwischen 2600 und 3600 Lichtjahren angegeben, was ihm einen tatsächlichen Durchmesser von etwa 165 Lichtjahren gibt. Der Nebel liegt am östlichen Ende des Sternbilds Stier, in der Nähe der Hörnerenden. Auf Fotos erscheint der Nebel so ähnlich wie der Cirrus-Nebel im Schwan, S147 scheint aber wesentlich älter zu sein.
Galaxien
nicht bekannt.
Quelle: Burnham’s Celestial Handbook, Dover Publication Inc., New York, 1978